Verlegung von Stolpersteinen- Gegen das Vergessen

Am 7.Juni 2024  fand in Meppen die feierliche Verlegung neuer Stolpersteine statt. Diese kleinen Gedenktafeln im Boden erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus, die in den Jahren 1933 bis 1945 verfolgt, deportiert und ermordet oder vertrieben  wurden. Die Verlegung der Stolpersteine ist ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, der die Steine persönlich verlegte.

Schülerinnen der Marienhausschule hatten im Vorfeld bereits Patenschaften für bereits verlegte Stolperstein übernommen sowie Recherchen betrieben.

Professor Dr. Wegner ,niedersächsischer Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens (rechts) mit Meira Motsa sowie den Auszubildenden Mohammed Ajouaou,Jette Surmann sowie Kim van de Oetelaar.

Über die Aktion der Stolpersteinverlegung findet sich ein Artikel von Tobias Böckermann in der Meppener Tagespost vom 10-Juni 2024, der hier zu lesen ist :

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In Meppen sind fünf Stolpersteine für jüdische Mitbürger verlegt worden. Drei davon für ehemalige Spieler des SV Meppen. Außergewöhnlich: Sie liegen vor dem Stadion, der Hänsch-Arena.

In Meppen sind fünf neue Stolpersteine verlegt worden – eine ergreifende Veranstaltung mit vielen Beteiligten, von denen der SV Meppen nur einer war.

Gedenken an Hans, Fritz und Herta Cohen sowie Käthe Blum und Kurt Visser

Es ging um das Gedenken an Hans, Fritz und Herta Cohen, Käthe Blum und Kurt Visser, als sich am Freitagnachmittag rund 50 Menschen vor dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreisamt in der Hüttenstraße trafen. Der Kölner Künstler Gunter Demnig wurde erwartet, er hatte vor drei Jahrzehnten die Idee für ein dezentrales Denkmal, das zumindest einige der Opfer des Nationalsozialismus aus dem Vergessen holen sollte. Name, Geburts- und Todesjahr, Ort der Ermordung werden seitdem in ihre Stolpersteine eingraviert, eine Messingplatte von der Größe eines halben Pflastersteins. Verlegt werden sie an jedem Ort, an dem die Menschen einst gelebt hatten. Einfache Idee, große Wirkung.
Aber Demnig verspätete sich am Freitag ein wenig. Er war zuvor im Ruhrgebiet gewesen, um Stolpersteine zu verlegen und der Freitagsverkehr hielt ihn auf. Deshalb hatte der Sprecher des Meppener Initiativkreises Stolpersteine, Holger Berentzen, schon mit der Veranstaltung begonnen, als Demnig dann mit seinem roten Transporter eintraf. Der 76-Jährige hielt sich nicht lange auf, sondern verlegte direkt den ersten Stein für Käthe Blum, die einst als geborene Meyer in Meppen lebte.
Gunter Demnig geht jedes Schicksal nahe
Und noch während die Reden unter anderem von Meppens Bürgermeister Helmut Knurbein weiterliefen, fügte Demnig den Stein in das vorbereitete Loch im Pflaster. Er füllte Sand und Splitt auf, richtete aus und goss das Substrat fest. Kurz gefegt, dann das Wasser abgetupft und fertig.

Den ersten Stolperstein verlegte Gunter Demnig in der Hüttenstraße für Käthe Blum.

Foto: Tobias Böckermann
„Steine verlegen, kann ich im Dunkeln oder im Schlaf“, sagt Demnig auf die Frage, ob nach 106.000 Steinen in 31 Ländern nicht so etwas wie Routine aufkomme. 95 Prozent davon hat er selbst verlegt, inzwischen gibt es ein Team dafür und eine Stiftung. „Aber mit den Personen, um die es geht, trete ich immer auf eine Art in Verbindung. Ihr Schicksal bewegt mich immer“, sagt Demnig. „Es geht um das Sammeln und legen von Spuren.“

Schüler der Marienhausschule Meppen geben den Anstoß

Die Verlegung hatte eine Vorgeschichte: Schüler der Marienhausschule Meppen hatten – unterstützt und motiviert von ihrer Lehrerin Anna Brümmer – im Unterricht Patenschaften für Stolpersteine übernommen und sich intensiv mit der Geschichte ehemaliger Meppener Juden beschäftigt. Dabei fiel ihnen auf: 26 Stolpersteine und eine Erinnerung für weitere 18 Personen auf einer Gedenktafel gibt es bisher, aber einige Namen fehlten. Denn bisher wurden nur für ermordete Opfer des Nationalsozialismus Stolpersteine verlegt, nicht aber für jene, die „nur“ unter den Nazigräueln gelitten hatten, aber nicht unmittelbar getötet worden waren.

Einige der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer der Marienhausschule Meppen gemeinsam mit Gunter Demnig. Foto: Tobias Böckermann

„Wir haben dann intensiv zusammengearbeitet und die Kriterien verändert“, sagt Holger Berentzen vom Initiativkreis. Deshalb gebe es jetzt fünf neue Steine und werde es in Zukunft weitere geben – bezahlt übrigens aus Spenden.
Familienzusammenführung in der Meppener Schützenstraße
Von der Hüttenstraße aus ging es zur Schützenstraße/Ecke Hafenstraße und zu einer Art Familienzusammenführung. Denn der Stolperstein für Herta Cohen wurde direkt neben denen ihrer Verwandten Sigmund, Clara, Philipp und Günter Cohen verlegt.


In der Schützenstraße folgte ein weiterer Stein. Foto:Tobias Böckerman

Besonders beeindruckend: Die Schülerinnen und Schüler der Marienhausschule erinnerten an alle fünf ehemaligen Meppener mit Bildern, Fotos und Auszügen aus deren Leben. Weil sie erfahren hatten, dass Herta Cohen und Käthe Blum in Zeiten der Ausgrenzung in Meppen noch Halt in ihrer Freundschaft fanden, hatten die Schüler dies mit einem stilisierten Herz verdeutlicht.

Nicht alle Reden der vielen Beteiligten können hier wiedergegeben werden, unter anderem von Felix Klein (Bundesbeauftragter für jüdisches Leben, per Videobotschaft), der Jüdin Meira Motsa oder von Professor Gerhard Wegener (Niedersächsischer Landesbeauftragter gegen Antisemitismus).
Jüdische Bürger waren Teil der Stadt Meppen
Aber getragen durch Musik von Maren Pante und Harald Kopatschek und eingerahmt in die von den Schülern Jette Surmann, Marie Vehnker, Kim van de Oetelaar, Danuta Bienkowska, Mohammed Ajouaou, Sylvia Schröder-Winter und Louis Taffo vorgetragenen Lebensdaten schien es fast so, als würden die fünf Juden für einen Augenblick wieder lebendiger Teil der Stadt Meppen.

Eine Art Familienzusammenführung gab es in der Schützenstraße 28: Herta Cohens Stolperstein liegt direkt neben denen ihrer Verwandten. Foto: Tobias Böckermann

Besonders außergewöhnlich ist die Verlegung der drei Stolpersteine vor dem Stadion des SV Meppen – denn bisher gibt es das in Niedersachsen nicht. Die Steine gelten Hans und Fritz Cohen, sowie Kurt Visser, die einst Spieler der Herrenmannschaft des SV waren. Hans Cohen war sogar Mitbegründer des Vereins und Spieler des SV Amisia Meppen, der 1912 als Vorläufer des späteren Sportvereins entstanden war.
SV Meppen: Im Fußball ist kein Platz für Rassismus und Diskriminierung
An die drei Spieler wird direkt im Eingangsbereich der heutigen Hänsch-Arena erinnert, ihre Stolpersteine werden künftig von Zehntausenden Fußballfans überquert, belaufen und „glatt poliert“. „Im Fußball gab es und gibt es bis heute noch immer manchmal Rassismus und Diskriminierung“, sagte SVM-Geschäftsführer Florian Egbers. „Dabei stehen wir für das Gegenteil. Im Fußball sind in der Kabine alle gleich und bilden ein Team, egal woher sie kommen oder woran sie glauben.“ Der SVM jedenfalls beteilige sich gerne an der Erinnerungsarbeit – und das gemeinsam mit der Stadt Meppen als Besitzerin des Stadions als erster Verein in Niedersachsen.

Direkt im Bereich des Haupteingangs der Hänsch-Arena erinnern jetzt drei Stolpersteine an ehemalige Spieler des SV Meppen, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Foto: Tobias Böckermann

Gunter Demnig dankte den Initiatoren vor Ort: „Ohne sie gäbe es keine Erinnerung“, sagte er. Und genau die werde blank poliert, wenn viele Menschen über die Stolpersteine liefen. „Je mehr darüber laufen, desto größer die Ehre für die Verstorbenen.“ Und wer die Inschrift der Steine lesen wolle, müsse sich verbeugen. „Das hatte ich damals bei der Idee für die ersten Steine so gar nicht gesehen. Aber eigentlich ist das doch toll.“

Einige der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer der Marienhausschule Meppen gemeinsam mit Gunter Demnig. Foto:Tobias Böckermann